Familienfreundliches Drehen Pro Quote Film

Was kann Filmschaffenden mit Kindern oder familiären Pflegeaufgaben helfen, weiter in der Filmbranche zu arbeiten?

Kinder

Ich arbeite sehr gerne mit Kindern. Dann sind die Drehtage immer kürzer!

Urs Egger, Regisseur, 2015 bei der Verleihung des Hoffnungsschimmer Preises (heute: Fair Film Award) für den Fernsehfilm DER FALL BRUCKNER

Der Anspruch einer „ständigen Verfügbarkeit für die Filmarbeit“ setzt für filmschaffende Eltern „immer verfügbare“ Betreuungsmöglichkeiten für ihre Kinder voraus. Nur ist das weder der Fall noch wünschenswert. Und logistisch und finanziell nur für Eltern mit finanziellen Reserven machbar, oder jene, bei denen noch rüstige Großeltern oder nicht berufstätige Onkel und Tanten oder Freund:innen auf Abruf ganz in der Nähe warten.

Frauen sind in Familien nach wie vor deutlich häufiger für Betreuungsaufgaben und sonstige Carearbeit verantwortlich. Wenn Frauen in der Filmbranche vorübergehend oder länger fernbleiben oder sie endgültig verlassen fehlen wichtige Impulse, Potenziale, Sichtweisen, Kreativität und Inhalte.

Sofern keine informelle Betreuung vorhanden ist, muss mitunter ein beträchtlicher Teil des Gehalts in private Kinderbetreuung gesteckt werden, was auch dazu führen kann, dass manche Anfragen und Angeboten abgelehnt werden, da das zu erwartende Einkommen (beispielsweise einer Teilzeitstelle (evt. noch in Kombination mit einer ungünstigen Steuerklasse) ganz für die Betreuungskosten aufgebraucht würde. Bei der Entscheidung, wie viele Projekte in einem Jahr angenommen werden, muss daher stets die richtige Balance zwischen Einkommen und Betreuungszeit gefunden werden. Gleichzeitig muss bedacht werden, dass bei zu vielen abgesagten Projekten womöglich irgendwann gar keine Anfragen mehr kommen (ob tatsächlich oder nur befürchtet).

Dies ist der Punkt an dem beispielsweise Produktionsfirmen und auch andere Organisationen der Filmbranche einschreiten und Lösungen für filmschaffende Eltern anbieten sollten, strukturell-logistisch und finanziell. Besonders wichtig ist hierbei die Nachteile der branchenspezifischen Arbeitszeiten zu berücksichtigen, denn vor Drehbeginn am Morgen haben die wenigsten Kitas schon geöffnet, und nach Drehschluss sind die meisten schon lange geschlossen.

  • Beteiligung der Produktion an Betreuungskosten

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    Wer viel Geld hat, kann private oder professionelle Lösungen der Kinderbetreuung finden. Das gilt aber für die wenigsten filmschaffenden Eltern, die meisten können finanzielle Unterstützung in diesem Bereich gebrauchen.

    Arbeitgeber, also Produktionsfirmen, Filmfördereinrichtungen, Sender u.a.m. können auf freiwilliger Basis (mit entsprechender Regelung im Arbeitsvertrag) Kinderbetreuungskosten bezuschussen oder übernehmen. Auch um zu verhindern, dass das Gehalt, speziell bei einem Teilzeitjob, komplett für Kinderbetreuung verwendet werden muss.

    Kinderbetreuuung ist ein Posten, der unter die förderbaren Produktionskosten fällt. Allerdings ist die Sachlage mehr als uneindeutig, wie auch von Fördereinrichtungen bestätigen.
    Die FFA schreibt hierzu dass nach einer Richtlinienänderung „die Kosten für Kinderbetreuung am Set in die Kalkulation für förderfähige Budgets mit einbezogen werden“ können. Die meisten regionalen Filmförderungen orientieren sich an den FFA-Richtlinien, allerdings fällen sie teilweise Einzelentscheidungen auf Grundlage der Bedürfnisse der jeweiligen Situation.

    Sinnvoll wäre eine Lösung, die förderfähige Betreuungskosten weiter fasst, und sowohl Kinderbetreuung am Set als auch an anderen Orten der Produktion bzw. auch außerhalb, beispielsweise in der privaten Wohnung umspannt. Und auch weitere durch die Kinderbetreuungskosten verursachte Kosten mit einbezieht, wie z.B. Fahrtkosten für Angehörige (u.a. Großeltern), die während der Dreharbeiten zum Kinderbetreuen angereist kommen. siehe auch Tipps für Produktionsfirmen und Tipps für die Branche.

  • Kinderbetreuung am Set

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    Neben der Bezuschussung oder Übernahme der mit einer Produktion verbundenen Kinderbetreuungskosten können Produktionsfirmen (oder andere Arbeitgeber der Filmbranche) auch selber für eine Kinderbetreuung sorgen und diese zur Verfügung stellen.

    Eine Kinderbetreuung am Drehort ist eigentlich nichts Neues, es gibt sie seit Jahren. Immer dann, wenn Kinder in einer Produktion mitspielen. Oder auch, wenn beispielsweise die Regie oder Hauptdarsteller:innen ein eigenes Kind zur Arbeit mitbringen.

    Was neu an dieser Forderung wäre ist, dass dieses Angebot idealerweise allen Team- und Castmitgliedern zur Verfügung stehen soll. Das wird bedeuten: mehr Kinder. Und es bedingt andere räumliche Lösungen, bewirkt logistische und finanzielle Mehrbedarfe und Fragen Fragen Fragen (z.B. Dürfen die Teamkinder mitessen, und wie wird das abgerechnet? Zahlen die Eltern einen Zuschuss zur Betreuung oder geht das auf die Produktion?).

    Und spricht etwas dagegen, Crewkinder und Kinderdarsteller:innen zusammen zu betreuen?

    Zu klären wäre, wo die Betreuung stattfinden kann. In einem Trailer? Etwas klein für 16 Stunden. Können die Kinder auch mal nach draußen, ohne sich oder andere zu gefährden? In Räumen der Produktionsfirma? Wie ist das rechtlich, muss der Raum hygienische und Sicherheitsvorgaben usw. erfüllen?

    Wir hoffen auf die ersten Produktionen, die sich dieser Frage annehmen und ihre Erfahrungen mit der Branche teilen.

  • Setkindergarten und Setschule

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    Setkindergärten bieten sich besonders für Projekte mit sehr langen Drehzeiträumen an, für solche, die lange an bzw. nahe einem Ort gedreht werden, für Studioproduktionen u.a.m.
    Manchmal gibt es bereits einen Belegschaftskindergarten – kann dieser ausgebaut werden für die befristet dazu kommenden Kinder? Sind die Betreuungszeiten lang genug für die Produktionsweise?
    Oder können an einem bereits in der Nähe der Produktion existierendem Kindergarten oder Hort – bzw. in deren Räumlichkeiten – „Überstunden“ morgens und ab nachmittags organisiert werden für die Crewkinder, die in normalen Kindergärten sind, die nicht während des ganzen Drehtags geöffnet sind? Kann ein Fahrdienst für die Transfers der Kinder organisiert und über den Kinderbetreuungstopf abgerechnet werden?

    Denkbar wäre auch ein vergleichbares Angebot für Schulkinder, die von ihrer Schule abgeholt und zum Sethort gebracht werden. Die Betreuung würde beispielsweise bei den Hausaufgaben helfen.

    Generell lohnt es sich für Arbeitgeber, Mitarbeitende mit betrieblicher Kinderbetreuung zu unterstützen. Eine fehlende Kinderbetreuung sorgt in der Wirtschaft immer noch und in zunehmendem Maße für betreuungsbedingte Fehlzeiten der Eltern, und auch in der Filmbranche stellt es Filmschaffende vor immense ,Herausforderungen‘. Sei es das Kinder krank sind oder Erzieher/innen streiken, oder ganz einfach gar keine Tagesbetreuung vorhanden ist.

  • Kinderbetreuungskartei

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    Produktionsfirmen (und andere Branchenunternehmen) legen eine Kartei an mit zuverlässigen, flexibel einsetzbaren und auch kurzfristig buchbaren Kinderbetreuer:innen, auch für kurzfristige Notfälle wie Drehplanänderungen. Vielleicht haben sie bereits mit Betreuer:innen zusammengearbeitet, wenn in einem Projekt Kinderdarsteller:innen beteiligt waren.

    Es gibt außerdem etablierte Organisationen, die professionelle Betreuungsdienste anbieten.
    Einige dieser Anbieter und auch Familienservices finden Sie unter den Tipps für Produktionsfirmen.

  • Belegplätze in Kitas oder Horten

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    Bereits in der Vorbereitungsphase können Produktionsleiter:innen ihre Fühler ausstrecken zu Kindertagesstätten mit erweiterten Öffnungszeiten in der Nähe der Produktionsfirma oder des hauptsächlichen Drehorts. Vielleicht lässt sich bei längeren Drehzeiträumen ein Kontingent an möglichen Belegplätzen aushandeln. Sobald feststeht, welcher Bedarfe im Team und Cast bestehen kann auf diese Absprachen zurückgegriffen werden.

    Siehe auch Anders Arbeiten und Tipps für Produktionsfirmen.

  • Familienbesuch bei Auswärts- oder Auslandsdrehs

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    Bei Produktionen, die zum Teil oder vollständig im Ausland gedreht werden, oder die einen Teil des Drehzeitraums auswärts durchgeführt werden, könnten an den Wochenenden größere Appartments oder Wohnungen für Produktionsmitarbeitende mit Familien bereitgestellt werden, so dass sie Besuch von Familienmitgliedern erhalten können.
    Filmschaffende mit kleinen Kindern / Säuglingen erhalten bei Auswärtsdrehs größere Wohnungen, in denen auch die Kinderbetreuung mit wohnt.

    Soweit bekannt gibt es diese Möglichkeit bislang nur für Hauptdarstellerinnen oder Regisseurinnen mit Kind. Teilweise wurden die Reisekosten für die Kinderbetreuung ebenso wie die Unterbringung und Verpflegung von der Produktion übernommen, die filmschaffende Mutter zahlte das Betreuungshonorar.
    Dieses Modell sollte für alle Mütter mit kleinen Kindern in der Produktion gelten, die ihr Kind und eine Betreuung zum Auswärts-/Auslandsdreh mitnehmen wollen.

    Ebenso können Modelle überlegt werden, wie Filmangehörige beispielsweise zu Auslandsdrehs auf eigene Kosten, allerdings mit logistischer Unterstützung der Produktion, ältere Angehörige mitnehmen können.

  • Regelungen für schulpflichtige Kinder bei Auswärtsdrehs

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    Es ist nicht ungewöhnlich, dass kleine Kinder auch zu Auswärtsdrehs mitgenommen werden, – natürlich abhängig davon in welcher Position ihre Eltern in der Produktion arbeiten.
    Schwieriger wird es, wenn Kinder im schulpflichtigen Alter betroffen sind. Falls die Kinder nicht von einem anderen Familienmitglied betreut werden können muss überlegt werden, ob die Kinder ihre Mutter / ihren Vater begleiten können. Das können die Eltern mit der Produktion nicht alleine entscheiden, denn es besteht für Kinder in Deutschland Schulpflicht.
    Es gibt aber Möglichkeiten, die zumindest überprüft werden sollten:

    – Können die Kinder online am Unterricht teilnehmen?
    – Können sie für eine Weile ins Homeschooling beurlaubt werden?
    – Können sie für die Drehzeit von der Schule beurlaubt und am Set privat unterrichtet werden? Dies ist zumindest bei Auswärtsdrehs schon eine gängige Praxis. Die Produktion übernimmt bspw. in dem Fall die Reise-, Unterbringungs- und Verpflegungskosten für die unterrichtende Begleitperson.
    – Besteht die Möglichkeit bei längeren Auslandsdrehs, dass die Kinder befristet in eine – falls vorhanden! deutsche Schule am Drehort anzumelden?

  • Stillraum und Ruhebereich am Set

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    Abgetrennte Stillräume und Ruhebereiche am Set ausweisen.
    Auch dies ist etwas, dass beispielsweise die Set-AL in der Vorbereitungsphase in der Planung berücksichtigen kann, egal ob es Stillkinder in der Produktion geben wird oder nicht. Gute Vorbereitung ist die halbe Miete!

    Siehe auch Inspirationen / Still(e)zeiten beim KRIPPENWAHN.

  • Ferienbetreuung, Feriencamp

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    Eine weitere Betreuungsmöglichkeit, die viele Filmbrancheeltern entlasten würde und gleichzeitig für ihre Kinder ein tolles Erlebnis sein kann, sind spezielle Feriencamps für Filmkinder. Diese könnten beispielsweise an den bzw. in der Nähe der großen Filmstandorte über die Dauer der Sommerferienmonate angeboten werden und die Arbeitszeiten der Branche berücksichtigen. Idealerweise bieten die Camps auch Übernachtungsmöglichkeiten für Kinder an. Die Drehortnähe ermöglicht Elternbesuche bzw. umgekehrt Kinderbesuche am drehfreien Wochenende.

    Ideal wäre ein Träger / Veranstalter, der sowieso schon Feriencamps organisiert, wie z.B. Pfadfinder oder Organisationen der Kultur- und Jugendarbeit, die Hürden wie die Frage nach Versicherung und Haftung bereits genommen haben.
    Es können auch Familienservices mit einer Ferienbetreuung ausschließlich für die Kinder der Filmschaffenden beauftragt werden (siehe auch Tipps für Produktionsfirmen, Tipps für die Branche und Wegweiser).

  • Organisierte Kinderbetreuung bei Festivals

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    Vermutlich haben die meisten Filmfestivals irgendwelche Pläne in der Schublade, was sie tun können wenn Filmschaffende zur Premiere ihres Film kommen und ein oder mehrere Kind/er mitbringen.
    Ein breiteres proaktives Angebot ist der nächste Schritt. Das bedeutet, dass Filmfestivals für die Dauer des Festivals, oder zumindest zeitgleich mit wichtigen Branchenevents, eine professionelle Betreuung für Kinder von filmschaffenden Eltern anbieten. Dies kann beispielsweise für Kinder von 6 Monaten bis 6 Jahren gelten, kostengünstig bis kostenfrei sein, für ganze Tage oder mehrere Stunden buchbar.
    Die Berlinale macht 2024 ein entsprechendes Angebot (siehe auch hier), allerdings steht es nur akkreditierten Fach- bzw. European Film Marketbesucher:innen zur Verfügung. Aber es ist ein Anfang.

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