Familienfreundliches Drehen Pro Quote Film

Was kann Filmschaffenden mit Kindern oder familiären Pflegeaufgaben helfen, weiter in der Filmbranche zu arbeiten?

Familienzeit

Pflegende und Eltern

Filmschaffende können aus verschiedenen Gründen eine Auszeit von ihrer Filmarbeit brauchen. Aus Erschöpfung, Burn-out, wegen Reiseplänen, beruflicher Umorientierung. Oder weil sie pflegebedürftige Kinder bzw. einen Partner oder eine Partnerin versorgen, sich um pflegebedürftige ältere Angehörige kümmern wollen. Oder weil sie kleine Kinder haben.

Diese Auszeit kann mehrere Wochen oder auch Jahre dauern. Oft entsteht sie ungeplant mit offenem Ende. Viele möchten irgendwann wieder in ihren Filmberuf zurück. Deshalb ist es wichtig, dass sie während der Familienzeit den Kontakt zur Filmbranche und speziell zu ihrem Beruf halten. Und dass sie wenn sie wollen in reduzierter Form in Projekten mitarbeiten können, um die berufliche Rückkehr vorzubereiten.

Ist die Filmbranche schon bereit für eine Vereinbarkeit von Beruf und Familie? In unserer Gesellschaft läuft das noch recht einseitig ab, Betreuung bleibt mehrheitlich Frauensache. Wird sich das ändern, wenn sich die Strukturen ändern?

Lange Arbeitstage und -wochen lassen sich nur schwer mit dem Privatleben und insbesondere mit Betreuungspflichten vereinbaren. Die „Always on“-Erwartung der Filmbranche benachteiligt Menschen mit privaten Verpflichtungen. Eine Entscheidung zwischen Beruf und Familie führt zu einer Reproduktion von geschlechtsspezifischen Ungleichheiten und Rollenbildern: der männlicher Ernährer und die weibliche Hausfrau..

Vereinbarkeitsstudie von Film Fatal, 2022
  • In Abwesenheit Kontakt zur Branche halten

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    In Hinblick auf einen späteren Wiedereinstieg in die Berufstätigkeit ist es wichtig, den Kontakt zur Branche nicht zu verlieren. Dies ist für Filmleute in Elternzeit bzw. diejenigen die Angehörige pflegen nicht so leicht möglich. Viele berufliche Vernetzungsmöglichkeiten fallen ohne die Arbeit ohnehin schon weg, und auch „Präsenztermine“ sind oft nicht wahrnehmbar. Es wäre hilfreich, wenn beispielsweise Berufsverbände und Branchennetzwerke diese Lücke füllen und Wege finden, speziell Filmschaffende in Familienzeit regelmäßig mit Informationen und Vernetzung zu erreichen.
    siehe auch Tipps Einzelperson.

    Filmfestivals können ebenfalls einen Beitrag leisten und die Akkreditierung für Carearbeit-Filmschaffende erleichtern (eine Akkreditierung wird mitunter verweigert wenn sich in der Vita in letzter Zeit nichts getan hat) und beispielsweise preislich an die Kosten für Studierende anlehnen.

    Die Berlinale 2024 bietet eine Kinderbetreuung an für 50 € pauschal, dies geht allerdings nur für akkreditierte Fachbesucher:innen oder registrierte Besucher:innen des European Film Markets. Es stellt also keine Option dar für Filmschaffende in Elternzeit, die keine Akkreditierung bekommen haben bzw. nur für einzelne Tage oder Events kommen wollen und gleichzeitig eine Kinderbetreuung benötigen.

  • Weiterbildung während der Familienzeit

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    Der Besuch von Weiterbildungen und Workshops während der Eltern- / Pflegezeit kann Filmschaffenden helfen, „warm zu bleiben“, ihre Qualifikationen und Fähigkeiten zu pflegen und beispielsweise bezüglich technischer und anderer Neuerungen in ihrem Gewerk auf dem Laufenden zubleiben.
    Es wäre begrüßenswert, wenn Weiterbildungseinrichtungen der Branche (Siehe auch Wegweiser) für Familienzeit-Filmschaffende besondere Rabatte anbieten.

  • Netzwerke für Familienzeitler:innen

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    Damit diejenigen, die in kürzerer oder längerer Zeit in Familienzeit gehen und in Vollzeit Sorgearbeit leisten, nicht alleine sind kann ein Austausch mit anderen in vergleichbarer Situation sinnvoll sein. Hierbei kann die Branche helfen und zum Beispiel in Verbindung mit Filmfestivals oder Verbandstreffen – selbstverständlich mit angebotener Kinderbetreuung – Treffen für Mütter und Väter in Elternzeit bzw. für pflegende Angehörige organisieren. Vielleicht können Filmförderungen hierfür perspektivisch einen eigenen Fördertopf bereitstellen?
    Diese Treffen können natürlich auch digital stattfinden, vielleicht wollen Berufsverbände für ihre Mitglieder in Auszeit oder die vereinbaren wollen regelmäßige virtuelle Stammtische organisieren.
    Aus diesen Netzwerktreffen kann mehr werden, von gegenseitiger Unterstützung bei Wiedereinstiegsfragen oder Problemen bei der Arbeit bis hin zur Gründung einer Interessenvertretung (s.u. „Bevorzugte Einstellung“).

  • Wiedereinstieg in die Filmbranche fördern

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    Es ist wünschenswert, wenn aus der Branche Unterstützung für eine Rückkehr, einen Wiedereinstieg in die Filmarbeit nach Eltern- oder Pflegezeit geboten wird, organisatorisch und finanziell.
    Das können Mentoringprogramme sein, das Ermöglichen von arbeitszeitreduzierenden Maßnahmen (siehe auch Arbeitszeitmodelle), Feedbackgespräche mit dem Produktionsbüro während des Wiedereinstiegs, spezielles Coaching für Wiedereinsteiger:innen u.a.m.

  • Bevorzugte Einstellung

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    Dieser Vorschlag ist diskussionswürdig und vermutlich der umstrittenste.
    Die Befürchtung ist, dass eine Bevorzugung womöglich dem Gleichheitsgrundsatz widerspricht, andere Bewerber:innen diskriminiert und benachteiligt werden, und schlimmstenfalls verhindert wird, dass auf einer Teamposition oder vor der Kamera die beste / bestqualifizierte, geeigneteste Person engagiert wird. (Nicht unähnlich den Argumenten gegen Quoten oder Förderung von Minderheiten).
    Andererseits können Personal- und Castingentscheidungen nie rein sachlich und objektivierbar sein. Es werden oft Menschen vermeintlich bevorzugt, auch wenn es tatsächlich eine „bei gleicher Qualifikation oder Eignung-Bevorzugung“ ist.

    Als Beispiel ein Blick vor die Kamera: für die Hauptrollen in einem Film kommen für Produktion oder Redaktion meist nur ganz wenige Schauspieler:innen in Frage. Für die kleineren Nebenrollen mit ein bis drei Drehtagen sind das schon deutlich mehr. Das heißt es muss eine Vorauswahl getroffen werden nach Kriterien, die zunächst sehr viele Schauspieler:innen erfüllen werden. Auch über die nötige Berufserfahrung, Professionalität und Kamerapräsenz werden mehr als 10 Personen verfügen. Wer auf die tatsächliche Vorschlagsliste kommt ist also auch subjektiv. Dazu kommt die Regie, die mitunter auch auf die Besetzung Einfluss nehmen kann.

    Ähnlich wird es eventuell bei den Teampositionen sein. Die fachlichen und künstlerischen Anforderungen erfüllen viele, irgendwann kommt dann der subjektive Faktor dazu, oder schlicht: wen kenn ich schon, mit wem möchte ich nochmal arbeiten, oder von wem habe ich mal gehört, wer wurde mir empfohlen, wen wünschen sich die Heads of Department.

    Angenommen es gäbe einen Zusammenschluss von Filmschaffenden in Familienzeit oder eine Interessenvertretung, die einfach nur auf sie und ihren Wunsch nach einem langsamen Wiedereinstieg, auf eine kleine beginnenden Vereinbarkeit aufmerksam macht, – dann könnte vielleicht für viele von Ihnen die Rückkehr aus der wertvollen Familienzeit erleichtert werden.
    siehe auch Arbeitszeitmodelle und Tipps für Eltern und Pflegende in der Filmbranche.

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