Familienfreundliches Drehen Pro Quote Film

Produktionsfirma

Sie arbeiten in einer Filmproduktionsfirma bzw. leiten sie, und wollen ihre nächste Filmproduktion oder ab jetzt alle Ihre Projekte möglichst familienfreundlich durchführen?

Tipps für Produzent:innen

Menschen die sich dafür entschieden haben, einen Angehörigen zu versorgen, brauchen Anerkennung und solidarische Unterstützung. Sie als Produzent:in können sehr viel dafür tun Angestellten in Ihrer Firma und befristet Beschäftigten in Ihren Filmprojekten die Vereinbarkeit von Filmberuf und Familie zu erleichtern oder überhaupt erst zu ermöglichen.

Von Anfang an familienfreundlich

Kommunizieren Sie Ihre Absicht familienfreundlich zu produzieren so früh wie möglich nach innen und nach außen, also auch gegenüber potenziellen Crewmitgliedern und Darsteller:innen.

Tun Sie alles dafür, ein angst- und diskriminierungsfreies Arbeitsumfeld zu schaffen. Eins in dem Mitarbeiter:innen keine Hemmungen haben müssen über Familie/nverpflichtungen und die damit verbundenen Einschränkungen und Notwendigkeiten zu sprechen.

Stellen Sie sich darauf ein, dass gerade Mitarbeiter:innen mit Familienverpflichtung Angst haben, offen über ihre persönliche Situation zu sprechen, beispielsweise über die damit verbundene Doppelbelastung. Dass sie eine Schwangerschaft oder Kinder aber auch pflegebedürftige Angehörige verschweigen. Vielleicht trauen sie sich nicht zu fragen, ob Besprechungen auf Vormittage gelegt werden können, dass es Freitags keine Nachtdrehs gibt, dass nach 13 Stunden Schluss ist und sie nicht länger arbeiten wollen. Vielleicht fürchten sie als nicht teamfähig zu gelten, nie mehr einen Job zu bekommen oder einfach nur auf Unverständnis und Ablehnung zu stoßen.

In der Einstellungsphase dürfen Sie Bewerber:innen nicht fragen, ob sie schwanger sind, beabsichtigen, schwanger zu werden, Elternzeit zu nehmen, bereits Kinder haben bzw. welche Betreuungsmöglichkeiten sie nutzen oder ob sie in die Pflege von Angehörigen involviert sind. Sie können jedoch den familienfreundlichen Ansatz Ihres Unternehmens während des Einstellungsverfahrens ansprechen und Möglichkeiten vorstellen, die sie anbieten möchten. Sobald die Zusammenarbeit fixiert und alle Verträge unterschrieben sind können Sie offen und detaillierter darüber sprechen und die Mitarbeiter:innen nach Ihren eventuellen Vereinbarkeitsbedürfnissen fragen. Dies gilt für alle Phasen der Produktion.

Beschäftigen Sie sich mit Vereinbarkeitslotsen für die Filmbranche. Dies sind qualifizierte Ansprechpersonen für Ihre Beschäftigten zu Vereinbarkeit von Filmberuf und Familie, und für konkrete – organisatorische und finanzielle – Fragen von (werdenden) Eltern bzw. pflegenden Angehörigen. Vielleicht wollen Sie jemanden aus Ihrer Team als Vereinbarkeitslotse schulen lassen? (für weitere Informationen siehe Alles für die Filmfamilie)

Für alle Fälle vorbereitet

Gehen Sie schon in der Vorbereitungsphase davon aus, dass in Ihrem nächsten Projekt Filmschaffende mitarbeiten, die kleine Kinder haben. Stellen Sie sich auf die Möglichkeit ein, dass jemand aus Ihrem Team plötzlich mit dem Thema pflegebedürftiger Angehöriger konfrontiert wird. Deshalb sollten Sie sich schon vor Zusammenstellung der Crew, vor Verpflichtung der Darsteller:innen, Gedanken machen zu:

  • Präventiven Maßnahmen für mögliche Sorgeaufgaben von Mitarbeiter:innen.
  • Hilfreichen Maßnahmen in der akuten Situation.
  • Unterstützenden Maßnahmen für die Dauer der Pflege / Care Arbeit während die Filmschaffenden Ihre Mitarbeiter:innen sind.

Für alle, besonders für Menschen mit Careverpflichtungen, ist Planbarkeit ein hohes Gut, das Wissen darüber, ob und wann sie in einem Projekt arbeiten werden. Das erleichtert die Organisation z.B. der Ersatzpflege, der Betreuungsvertretung immens. Für Sie als Produzent:in heißt das, mit allem noch früher zu beginnen und vor allem früher fertig zu sein.

Konkrete Maßnahmen

Sie finden hier eine Reihe von Vorschlägen, die für Sie interessant und anwendbar sein können. Ausführlichere Erläuterungen stehen in den genannten Unterbereichen vom Kapitel Umsetzung.

Aus dem Bereich Anders Arbeiten:

  • Versuchen Sie Projekte und Drehzeiträume früher verbindlich zu fixieren.
  • Sorgen Sie für eine frühere Abnahme der Drehbücher, so dass in der Folge Drehpläne eher vorliegen und Folgeabteilungen besser arbeiten können. Das kann auch bedeuten noch mehr Zeit für die Entwicklungs- und Finanzierungsphase einplanen.
  • Ermitteln Sie die Anzahl der Drehtage basierend auf dem Drehbuch und nicht dem Format. Manche Produktionen werden so längere, andere kürzere Drehzeiträume haben, bei weniger Druck und weniger Überstunden.
  • Legen Sie Ihren Mitarbeiter:innen Verträge früher vor. Wenn das erst zum Drehbeginn passiert sind sie kein Angebot mehr.
  • Sie als Produzent:in können die Präsenzkultur als einzige Option in Frage stellen und je nach Möglichkeiten und Bedürfnissen hybrides Arbeiten anbieten.
  • Verzichten Sie in Ihren Projekten freiwillig auf Nachtdrehs am Freitag.

Aus dem Bereich Arbeitszeitmodelle:

  • Teilzeit: Finden Sie heraus, ob Mitarbeiter:innen in Teilzeit arbeiten möchten und besprechen sie mögliche Varianten.
  • Geteilte Jobs: Seien Sie aufgeschlossen gegenüber Bewerbungen von zwei Filmschaffenden auf eine Stelle. Schreiben Sie von sich aus Stellen als Geteilte Jobs aus oder signalisieren Sie Ihre Bereitschaft gegenüber diesem Modell. Siehe auch Alles für die Filmfamilie.
  • Gewerkensembles: Sie können mit den Heads of Departments sprechen und dieses Modell einführen (eine zusätzliche 1/2 Stelle in jeder Abteilung).
  • 4-Tage-Woche als Option für den Dreh ausprobieren wenn das alle wollen oder für alle die es wollen. Kürzere Wochen wirken sich erheblich auf die Produktivität der Menschen aus, auch derjenigen, die keine Betreuungspflichten haben.
  • 8-Stunden-Tag als individuelle Lösung. Arbeitszeitverkürzung für alle die es wollen.
  • Respektieren Sie die arbeitsfreien Zeiten, das heißt Abende und Wochenenden.
  • Planen Sie familienfreundliche Besprechungen, idealerweise Montag bis Donnerstag vormittags.
  • Warm-Up und Abschlussfest: überlegen Sie, ob als Alternative zur abendlichen Terminierung frühere Anfangszeiten mit einer Teilnahme von Kindern möglich sind.

Aus dem Bereich Familienzeit:

  • Unterstützen Sie die Gründung eines Netzwerk für interessierte Eltern und Pflegende in Ihrer Firma, das auch offen ist für Ihre befristeten Projektmitarbeiter:innen. Ermutigen Sie Filmschaffende, die in Elternzeit oder längere Pflege von Angehörigen gehen, mit Ihrer Firma und dem Netzwerk in Kontakt zu bleiben.
  • Fördern Sie den Wiedereinstieg von Filmschaffenden nach Ihrer Familienzeit. Hier kann auch das Netzwerk helfen.
  • Setzen Sie sich mit der Frage auseinander, ob Sie Wiedereinsteigende unterstützen können und möchten, beispielseise durch eine bevorzugte Einstellung bei vergleichbarer Qualifikation.
  • Führen Sie bezahlte Praktika ein (falls Sie die noch nicht anbieten), um Berufsanfänger:innen die Möglichkeit zu geben, Beruf und Privatleben miteinander zu vereinbaren und zu einer besseren work-life-balance zu kommen (ohne branchenfremde Brotjobs annehmen zu müssen).
  • Bieten Sie bezahlte Praktika für Eltern/Pflegende an, die nach einer Pause wieder in den Beruf zurückkehren wollen.

Aus dem Bereich Kinder:

  • Bieten Sie in Ihren Produktionen Eltern praktische und finanzielle Unterstützung bei der Kinderbetreuung an.
  • Prüfen Sie möglichst früh Optionen wie Kinderbetreuung am Set, Setkindergarten, Belegplätze in Kitas auf ihre Anwendbarkeit in Ihrer Produktion.
  • Legen Sie eine Kinderbetreuungskartei an (s.u.).
  • Berücksichtigen Sie in der Produktionsplanung die Familienverpflichtungen von Cast und Team. Sprechen Sie mit Ihnen in offener Atmosphäre und auf Augenhöhe, sobald die Verträge unterschrieben sind.
  • Berücksichtigen Sie auch das Alter der Kinder Ihrer Crew, sind sie im Schulalter oder im Kindergarten?
  • Behalten Sie auch Ferienzeiten, regionale Feiertage, Kitaschließungen in der Grippezeit oder bei Streiks im Hinterkopf und sorgen Sie dafür, dass Ihre Mitarbeiter:innen keine Angst haben, diese Situationen und die damit verbundenen Betreuungsengpässe anzusprechen.
  • Wenn in Ihrer Produktion Kinder mitspielen, prüfen Sie, ob gemeinsam mit ihnen auch Crewkinder betreut werden können.
  • Stellen Sie die nötige Infrastruktur für junge Mütter zur Verfügung wie z.B. einen abgetrennter Raum zum Stillen oder Milch Abpumpen (eine ausgewiesene offene Ecke am Set reicht dafür nicht).
  • Auswärtsdrehs: Lassen Sie für Mitarbeiter:innen mit Familie für die Wochenenden größere Unterkünfte buchen, so dass sie von Ihren Familien besucht werden können.
  • Auswärtsdrehs: Stellen Sie allen Mitarbeiter:innen, die mit Familienan gehörigen reisen müssen oder wollen eine angemessene Unterkunft zur Verfügung stellen.
  • Vergessen Sie die Eltern oder Angehörige mit Pflegeaufgaben unter Ihren festangestellten Mitarbeiter:innen nicht. Finden Sie in Gesprächen heraus, was eventuelle Bedarfe sind. Weisen Sie auf die gesetzlichen Rahmenbedingungen und Möglichkeiten hin (siehe auch die Informationen für Eltern bzw. pflegenden Angehörige unter den Tipps für sie in der Filmbranche).

Aus dem Bereich Geld:

  • Planen Sie im Finanzierungsplan Kinderbetreuungskosten ein, auch wenn noch nicht klar ist, ob sie gebraucht werden.
  • Erwägen Sie finanzielle Unterstützung von Vereinbarenden, sei es beispielsweise für Kinderbetreuungs- oder Fahrtkosten (damit die Arbeitnehmer nach Drehschluss schneller nach Hause kommen können).
  • Verändern Sie das Schauspielgagensystem in Ihren Produktionen damit die „kleinen Rollen“ besser bezahlt werden.
  • Überdenken Sie die üblichen Qualifikationen für Gageneinstufung bzw. Honorare auch in Hinblick auf familienzeitbedingte „Lücken“ im Lebenslauf.

Kinderbetreuungskartei

Legen Sie eine Kartei für zuverlässige, flexibel einsetzbare und auch kurzfristig buchbare Kinderbetreuer:innen an, um für kurzfristige Notfälle wie Drehplanänderungen Lösungen zu haben. Sie müssen hierbei nicht das Rad neu erfinden, es gibt etablierte Organisationen / Unternehmen, die so etwas anbieten. Hier eine erste Auswahl:

  • Notfallmamas bieten eine erfahrene und zuverlässige betriebliche Kinderbetreuung. Die Notfallmamas sind seit 2012 bundesweit aktiv und unterstützen sowohl Unternehmen als auch Eltern.
  • Der EASY.Familienservice von MotherWorld unterstützt und entlastet Beschäftigte in ihren individuellen Lebenslagen, präventiv und in Akutsituationen mit Kinderbetreuung, Haushaltshilfen und Pflegekräften.
  • Kids-concept bietet eher langfristige Betreuung für Kinder.
  • Nannynetzwerk bietet qualifizierte und geprüfte Nannys und Babysitter.
  • Heynanny, für Kinder und auch für pflegebedürftige Angehörige.
  • BUK Familienservice besteht aus fachspezifischen Teams von Beraterinnen und Beratern zu Vereinbarkeit von Beruf und Privatleben.
  • Benefit at Work beraten zu Vereinbarkeit von Beruf und Elternschaft, Beruf und Pflege und Beruf und Alltag.
  • Pme Familienservice ist ein privater Beratungs- und Vermittlungsdienst, der Unterstützung bietet für alle Betreuungsarten von Kindern (nicht schulpflichtig) und pflegebedürftigen Angehörigen.
  • famPLUS unterstützt bei Vereinbarkeit von Familie und Beruf und bietet Beratung zu Kindern, Pflege und seelischer Gesundheit.
  • Voiio bietet Kinderbetreuung für die Ferien, für den Notfall und ganz alltäglich Pflegebetreuung und alles rund um Eldercare und Unterstützung für werdende Eltern.
  • care and work unterstützen Unternehmen und Privatpersonen im Bereich Pflege.

Zur Orientierung gut zu wissen

  • Audit Beruf und Familie Managementinstrument zur Optimierung einer familienbewussten Personalpolitik
  • Erfolgsfaktor Familie – kostenfreies Netzwerk.
  • Die berufundfamilie Service GmbH ist Dienstleister und Think-Tank im Themengebiet Vereinbarkeit von Beruf, Familie und Privatleben und bietet u.a. Checklisten und Handlungshilfen an.
  • Die Kampagne „arbeiten, pflegen, leben“ im Ennepe-Ruhr-Kreis ist eine der ersten Initiativen in NRW, die das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Pflege aufgegriffen und Unternehmen wie Beschäftigte in der Region gezielt angesprochen hat. Ideengeber:innen waren auch die Betroffenen selbst: berufstätige Eltern, die zugleich pflegende „Kinder“ ihrer alten Eltern waren und deren Probleme kaum Gehör fanden.